Heute vor exakt einem Jahr habe ich mir einen Wunsch erfüllt: Ich bin mit dem Kajak um Kullaberg gepaddelt. Die Halbinsel Kullen mit ihren steil abfallenden zerklüfteten Felsen ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Südschweden. Auf dem Wasser bin ich an jenem spätsommerlich anmutenden Tag im September ganz alleine.
Die Entscheidung fällt spontan: Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel. Der Wind hat Pause. Die Bedingungen sind perfekt für eine Tagestour in einem Gebiet, das ich noch nicht kenne. Im kleinen Küstenort Lerhamn kann ich nahe am Wasser parken und am Sandstrand einsetzen. Der liegt direkt hinter dem Hafen, der mit ein paar im Wasser dümpelnden bunten Boote und Fischerhütten in Faluröd, dem typischen Schwedenrot, ein recht idyllisches Bild abgibt.
Mölle – mondänes Seebad mit Geschichte
In Mölle mache ich einen Abstecher in den Hafen. Das Grand Hotel des ehemaligen Fischerdorfes strahlt mir von seiner erhöhten Position im Ort entgegen. Ganz weiß ist es, mit grauem Dach und einem Turm gen Süden. Die unter ihm in den Hang gebauten ebenfalls weißen Häuser spiegeln sich im ruhigen Wasser. Es gibt kaum einen Artikel, in dem Mölle nicht als mondän beschrieben wird. (Womit das Wörtchen nun auch hier untergebracht wäre!) Mölle, das sich Ende des 19. Jahrhunderts zum beliebten Seebad mauserte. Mölle, wo zum ersten Mal in Schweden Frauen und Männer am selben Strand badeten. Mölle, in das es seinerzeit sogar eine Zugverbindung von Berlin aus gab.
Hinter Mölle wird’s bald schon felsiger zu meiner Rechten. Ich halte Abstand; noch weiß ich nicht, wie es unter mir aussieht und wie nah ich an die Klippen ranpaddeln kann. Außerdem gefällt mir für den ersten Eindruck die Perspektive von etwas weiter weg. Die Sonne macht ihren Job als Beleuchterin gut: Das harte Gestein wirkt freundlich, trotz seiner Kanten, Risse und den teils starken Farbkontrasten. Hier und da wird es von Gräsern, Büschen und Bäumen verdeckt und ausgefüllt. Darüber dieses schier unnatürliche Himmelsblau. Was für ein Tag, mitten im Herbst!
Klippen, Kiesel und zwei Leuchttürme
Ich erspähe Kletterer am Fels und erinnere meine eigenen Jahre am Seil. Damals, als Jugendliche auf der Schwäbischen Alb. Mit meinem Papa als engstem Kletterpartner. In einer Mischung aus Gedanken und Staunen erreiche ich die Spitze der Halbinsel. Hoch oben thront der Leuchtturmkomplex Kullens Fyr, ein Stück weiter unten lugt das Türmchen des kleineren ganz westlichen Leuchtturms hinter den Felsen hervor.
Kaum dass ich den westlichsten Punkt umpaddelt habe, werde ich mutiger und nähere mich den Klippen. Das Wasser ist still und klar; ich sehe, was unter mir ist. Dicke, rund geschliffene Kiesel. Ich staune weiter, ob all dieser Formen, Farben, Kontraste. Auch die kleinen Buchten sind übersät mit runden Kieseln. Um sie herum ragt der zerklüftete Fels empor. Höhlenartige Durchbrüche verlocken zu weiterem Annähern. Säße ich nicht in meinem leichten Solotouren-Boot mit Carbonrumpf, wäre ich noch mutiger. Doch das, was ich hier heute erlebe, gefällt mir auch mit Vorsicht gut.
Schweinswal, Seehund, Mittagszeit
Inzwischen ist die Mittagszeit vorbei. Ich werde hungrig. Ans Anlanden ist an diesen Stränden für mich nicht zu denken. Also dümple ich vor dieser Wahnsinnskulisse herum, genieße den Blick übers offene Meer und lasse ihn weiter schweifen, hinüber zum anderen Ende der Bucht, auf die Halbinsel Bjäre. Mal wieder ist es diese Verbindung aus Wasser und Ruhe, aus der landschaftlichen Weite und dem tiefen bei mir Sein, die mich hier draußen glücklich macht. Dass diese friedvolle Stimmung auch noch neugierige Seehunde anlockt, ist schließlich fast zu viel des Guten.
Zu gerne würde ich noch ein Stück weiter entlang der Nordküste von Kullen paddeln. Doch in Ermangelung von Ausstiegsmöglichkeiten siegt die Vernunft; ich kehre um. Nun habe ich die Sonne im Gesicht. Ich taste mich an die Klippen ran, berühre den Fels, fotografiere. Ein Schnaufen von der Wasserseite her lässt mich aufhorchen. Ich weiß, dass man im Kattegat und speziell hier um Kullen gute Chancen hat, Schweinswale zu sehen. Tatsächlich habe ich richtig vermutet. Ich folge dem Tier mit den Augen. Wie es auftaucht und in der typisch rundlichen Bewegung wieder unter der Meeresoberfläche verschwindet.
In Lerhamn ist es noch immer idyllisch, als ich zurückkehre. Zwei Menschen packen gerade ihre Badesachen zusammen; einer sitzt auf den Steinen, die den Strand vom Hafen trennen. Und ein paar Meter weiter hat sich eine kleine Gruppe Frauen mit ihren Fahrrädern zusammengefunden. Für mich interessiert sich keiner. Ich kann in aller Ruhe aus- und das Boot aufs Autodach packen. Das komfortable Klohäuschen am Parkplatz ist perfekt zum Umziehen.
Zum Abschlusskaffee ganz nach oben
Es ist Nachmittag und noch genügend Zeit, ehe es dunkel wird. Ich beschließe, den Tag bis zuletzt auszukosten und fahre hoch Richtung Kullaberg. Was tagsüber und vor allem in der Hochsaison ein stark besuchtes Ziel für Tagesausflügler ist, habe ich nun fast für mich. Ganz vereinzelt sehe ich noch ein paar Spaziergänger. Ein junges Paar kocht auf dem Parkplatz vor seinem Camper. Ein Radfahrer saust vorbei. Ich schlendere zur Anhöhe nahe des Leuchtturms. Das Licht wird wärmer, die Luft kühler. Mein Blick verliert sich in den Mustern, die von hier oben auf dem dunkelblauen Meer zu erkennen sind. Noch einmal schaue ich rundum – über blanke Felsen hinweg auf mein heutiges Paddelrevier. Ich bin zufrieden mit dem Tag und mit der spontanen Entscheidung, Kullaberg von Wasserseite aus zu erkunden.
Info & Tipps:
Die Halbinsel Kullen liegt im Nordwesten der südschwedischen Provinz Skåne. Es gibt mehrere ausgeschilderte Wanderwege durch das Naturreservat Kullaberg. Einer davon ist der 70 Kilometer lange Kullaleden, der Teil des Fernwanderwegnetzes Skåneleden ist.
Ein guter Ausgangspunkt für Erkundungen an Land ist das Naturinformationscentrum Naturum am Leuchtturm Kullens Fyr.
Die hier beschriebene Halbtagestour ist 24 Kilometer lang. Sie beginnt am Sandstrand von Lerhamn, südlich von Kullen. Hier kann man gut das Auto parken und einsetzen.
Wenn man mit weniger empfindlichen Kajaks unterwegs ist, lohnt ein Aussteigen auf der nördlichen Seite von Kullen. Die Stein- und Felslandschaft samt ihrer Grotten und Buchten ist definitiv ein lohnendes Ziel.
Wer nicht mit eigenem Kajak anreist, kann z.B. in Mölle am Hafen PE-Boote mieten.