An Land ist der Frühling eingekehrt in Südschweden. Auf dem Wasser herrscht unabgesprochene Einigkeit über die Winterausrüstung. So ungerne ich mich Ende April in den Trockenanzug zwänge, so groß ist die Vorfreude: Zum ersten Mal bin ich mit einer größeren Gruppe schwedischer Paddler verabredet. In Blekinge. Zu zwei Draußennächten und drei entspannten Paddeltagen.
Okay, das mit der Entspannung ist maximal die halbe Wahrheit. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint. Doch der Wind ist eisig, als wir zu unserer ersten Paddeltour des Wochenendes starten. Die bunte Kajakflotte liegt am Sandstrand unterhalb der kleinen Ferienhaussiedlung Svalemåla Stugby. Ich versuche, mir die Namen meiner Mitpaddler einzuprägen, und beginne mit meinem Paddelbuddy Patrik. In Zweierteams sind wir später auf dem Wasser füreinander verantwortlich.
Patrik ist Mitglied im Kajakverein von Helsingborg, ich in Tjörns Kajakklubb. Das jährliche Treffen der beiden Vereine ist eine kleine Tradition. Man kennt sich, herzt sich, freut sich auf die bevorstehenden Tage. Dazwischen ich. Mit einem neuen Boot, vielen neuen Gesichtern um mich herum und einer Revierpremiere.
Felsen, Wald und Schärenlandschaft
Blekinge empfängt mich mit einer Mischung aus sanft geschwungenen Hügeln, Wald und Felsen. Ich fühle mich wohl. Erst recht, als wir endlich auf dem Wasser sind. Die Küste ist deutlich zerklüfteter als in Skåne; ich fühle mich an meine Lieblingslandschaft an der schwedischen Westküste um Göteborg erinnert. Mächtige Felsen und kleine Inseln ragen aus dem Wasser. Allein der Blick auf die Karte lässt Paddelspaß erahnen: Buchten, Fjorde und Schären sind eingezeichnet.
Unsere bunte Truppe setzt sich in Bewegung. Den Järnavikafjord südwärts verlassend. Auf der Ecke Gyö wird’s pustig. Die Wellen sind nicht hoch, der Wind aber ist deutlich spürbar. Wir paddeln ostwärts, bleiben recht dicht unter Land. Die Bäume sind noch kahl. Steinblöcke bilden Minibuchten, in die wir zu Trinkpausen abbiegen.
Die Nordseite von Vångsö ist unser Ziel für die Mittagspause. Kein Gruppenzwang, keine Hektik, keine überschwenglichen Ansagen: Jeder sucht und findet eine passende Ausstiegsstelle. Jeder findet ein Plätzchen zum Essen, Sonnen, Tratschen.
Der Rückweg hat’s in sich. Der Wind will uns herausfordern. Die Gruppe funktioniert: Wir achten aufeinander, warten, sammeln uns. Das letzte Stück zurück bis zur Abzweigung in unseren sicheren Fjord hinein hebt meine Laune noch ein Stück weiter: Die Wellentestfahrt in meinem neuen Endless von Design Kayaks glückt.
Felsen, Wald und Schärenlandschaft
Am nächsten Morgen ist Lagebesprechung: Die Wetterprognose teilt uns in eine Wander- und eine Kajakgruppe. Das Prinzip unserer gemeinsamen Draußenauszeit: Jeder paddelt eigenverantwortlich; jeder entscheidet für sich und dabei doch so, dass jede Einzelentscheidung auch eine positiv-verantwortungsbewusste für die Gruppe ist. Die Infos zum Kurs sind klar; alles andere ist so unaufgeregt, wie ich es vor allem in größeren Gruppen selten erlebt habe. Keiner tut sich hervor. Mal paddelt man alleine vor sich hin. Mal findet man sich abschnittweise zu zweit oder zu dritt zusammen. Tempo und Gruppenzusammenhalt klappen völlig natürlich. Herrlich!
Zu fünft paddeln wir zur Insel Tjärö. Hier findet jährlich im späteren Sommer ein beliebtes Kajakfestival statt. Wir dümpeln im noch winterleeren Hafen, umpaddeln die Insel und genießen unsere Mittagspause im Windschutz auf Dragsö, westlich von Tjärö.
Wie gerne hätte ich jetzt mein Zelt dabei! Die Felsen blank geschliffen. Die Minibucht vor uns vollkommen still. Und der Uferbereich in zartem frühlingshaftem Kleid. Hier würde ich gerne bleiben.
Plötzlich taucht ein Seehund auf, zieht seine Runden im Wasser vor uns. Wir folgen ihm mit unseren Augen. Dann wird es auch für uns Zeit, weiterzuziehen.
Auf dem Rückweg spreche ich aus, was sich mehr und mehr in mir festigt: Die Komposition der Landschaftszutaten ist der Schärenlandschaft vor Göteborg so ähnlich, dass ich mich sehr schnell ähnlich wohl fühle. Mit dieser Wahrnehmung bin ich nicht alleine und meine Liebe zu Fels, Wald und Wasser hilft mir am Abend, als ich beim Grillbüfett mit einer meiner Mitpaddlerinnen der Westküste ins Gespräch komme: Mein Eindruck trügt mich nicht; sogar Carina bescheinigt der Gegend um Tjärö und Järnavik Heimatgefühlpotenzial. Flugs plaudern wir los. Ich freue mich über den zaghaften Anschluss; die Neue zu sein in einer Gruppe Altbekannter, ist ja doch nicht ganz einfach.
Zum Abschluss eine kleine Wanderung
Am letzten Morgen drehen wir eine frühe kleine Abschiedsrunde auf dem Wasser. Unter deutlich trüberem Himmel, nochmal hinüber nach Tjärö, in einer wieder anderen 7er-Gruppe. Einige von uns haben eine lange Autofahrt vor sich; andere trauen dem Wetter nicht so ganz. Es bleibt bei einer kurzen Strecke, die doch jeden Paddelschlag lohnt.
Als das Boot schließlich verladen und mein Zelt abgebaut ist, entscheide ich mich noch für eine Erkundung an Land. Ich folge der Regenbogenfarben-Beschilderung des Rundwanderweges Svalemåla Leden. Ich steige auf Felsen und überblicke mein Kajakrevier der letzten Tage. Ich streife durch noch lichte Wälder mit Buschwindröschenteppichen am Boden. Am Campingplatz von Järnavik gönne ich mir ein Eis. Zwei Riesenkugeln. Salzkaramell.
Ich bin froh, mich zu dieser Tour angemeldet zu haben. Mit schwäbischem Kartoffelsalat fürs Büfett und mit neuen Paddelkontakten, die ich beim nächsten Wiedersehen hoffentlich bereits mit Namen grüßen kann. Dann, wenn ich ein kleines bisschen weniger die Neue sein werde …
TACK till er alla som har varit med och bidragit till en jättefin upplevelse med paddling och mys!
Vielen Dank auch an unsere Mitpaddlerin Jette, die dieses fröhliche Video über unser Paddelwochenende in Blekinge erstellt hat!
Info & Tipps:
Übernachten im Svalemåla Stugby:
Die kleine Ferienhaussiedlung liegt oberhalb eines zum Einsetzen perfekten Sandstrandes. Svalemåla Stugby wartet mit insgesamt elf Ferienhäusern auf, die für Paddelgruppen perfekt geeignet sind: Die Häuser haben jeweils vier bis sechs Schlafplätze, Küchen und überdachte Terrassen.
Zwei meiner Mitpaddler und ich haben unten direkt am Strand gezeltet. Auch das ging nach Absprache. Das Highlight nach dem Paddeln: der holzbefeuerte Pool am Strand!
Außerdem gibt es einen großen Gemeinschaftsraum, ebenfalls mit Küche und Kühlschränken ausgestattet, sowie Grills zum Ausleihen. Perfekt für unsere kleine Feier hinein in den ersten Mai!
Das Paddelrevier:
Die Gewässer um Järnaviks Skärgård und Tjärö sind ein perfekter Ausgangspunkt für entspannte Seekajaktouren, in der Region zwischen den Städten Karlshamn und Ronneby. Seit 2011 trägt der Schärengarten der Provinz Blekinge an der Ostküste Schwedens den Titel UNESCO Biosphärenreservat. Rund eintausend Inseln gehören zu diesem Revier.
Zur Planung, Vorbereitung und für unterwegs empfehle ich, wie immer, die Outdoor-Karten von Calazo. In diesem Falle sind es die Blätter C25 (Västra Blekinge) und C26 (Östra Blekinge). Die Karten gibt es in Deutschland z.B. in der Geobuchhandlung Kiel und in Schweden beim Outdoor-Ausstatter Naturkompaniet. Eine gute digitale Ergänzung für Tourvorschläge, Übernachtungsmöglichkeiten und outdoorrelevante Infrastruktur ist Naturkartan (auch als App verfügbar).
Anreise und Übernachtungsalternative:
Järnaviks Skärgård ist einfach zu erreichen: Er liegt nur eine vierstelstündige Autofahrt von der Abfahrt 54 (Åryd) oder 55 (Bräkne-Hoby) der Autobahn E22 entfernt. Und schon diese Viertelstunde ist Urlaub: Die Strecke durch sanfte Hügellandschaft mit vereinzelten Häusern und Felsblöcken mittendrin lässt einen mehrfach am liebsten direkt anhalten und losgehen. Von Malmö aus fährt man etwa zwei Stunden bis Svalemåla.
Eine paddlerfreundliche Übernachtungsalternative in direkter Nachbarschaft zu Svalemåle Stugby ist Järnaviks Camping. Hier kann man ebenfalls zelten oder in kleinen Holzhäusern wohnen. Es gibt einen Selbstbedienungs-Kajakverleih und eine perfekte Einsetzstelle am Rande des Badestrands.
Landgang:
Die kleine gut sechs Kilometer lange Wanderung auf dem Svalemåla Leden ist eine schöne Ergänzung zu Touren auf dem Wasser. Gut markiert führt sie über das Gelände von Svalemåla Stugby, durch Wälder, Wiesen und Felslandschaft hindurch. Den Eis-Stopp am Campingplatz Järnavik empfehle ich Dir unbedingt. Und nimm Dir Zeit für die Ausblicke und #kopffrei-Momente auf von der Sonne erwärmten Felsen!