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Weiter geht’s im Kleinen Belt: Der Norden im Seekajak

Der südliche Teil des Kleinen Belts in Dänemark war früher so etwas wie mein Wochenendheimatrevier. Den nördlichen Teil zwischen Middelfart und Fredericia kenne ich noch nicht. Es wird Zeit, dies zu ändern.

Der Wind weht nicht doll, als wir in Hejlsminde ankommen. Doch er ist kalt. Ich stolpere über diesen Moment, in dem sich die Vorfreude aufs Paddeln und draußen Schlafen und Kochen mit dem Wunsch kabbelt, doch lieber im Warmen zu bleiben. Wenige Augenblicke später schleppe ich bunte Klappboxen und gut gefüllte IKEA-Taschen runter zum Strand. Flugs ist das Boot bepackt. Ich zurre das Gummiband meiner Spritzdecke fest, klicke die Schnallen der Schwimmweste ein und steige ins Kajak. Ich bin noch nicht recht auf dem Wasser, da kommt mir mein kleiner Strauchelmoment lächerlich vor: Die Sonne scheint, das Wasser ist recht ruhig. Und vor mir liegen geplante dreieinhalb Paddeltage mit insgesamt wenig konkreter Planung und Zeit für Spontaneität.

Zeltnacht am Lieblingsshelterplatz

Diese Spontaneität wird noch voll auf ihre Kosten kommen: Die Wetterprognose hält nicht ganz, was sie versprochen hat. Doch eins nach dem anderen: Das erste Ziel an diesem Nachmittag ist ein von mir geliebter Shelterplatz an der kleinen Steilküste von Sønder Stenderup Sønderskov. Der liegt so herrlich unter Bäumen, mit schönem Abend- und noch schönerem Sonnenaufgangslicht. Ich erinnere eine Tour mit meinem Papa vor ein paar Jahren: Wir hatten den Platz ganz für uns, haben geköchelt, bei grellem Mondschein gut geschlafen und das Draußenfrühstück mit Aussicht so richtig genossen.

Ungefähr so stelle ich mir das heute auch vor. Als ich mich dem Platz nähere, höre ich allerdings Stimmen: Der Shelter ist bereits eingerichtet; die beiden Männer und ein junger Bursche, der am Feuerholzsammeln ist, wollen ebenfalls über Nacht bleiben. Wir kündigen unsere Nachbarschaft ein Stück weiter im Zelt an.
Bald schon gefällt mir auch dieses Plätzlich und ich fange an, Kartoffeln fürs Abendessen zu schnippeln. Es ist Anfang Oktober; die Tage werden merklich kürzer und die Kühle schleicht zügig an den Körper. Es muss also alles wieder etwas schneller gehen als im Sommer und der Aufwärmspaziergang nach dem Mahl findet schon im Dunkeln statt.

Auf zu neuen Ufern

Am nächsten Tag beginnt die Neuland- bzw. Neuwassererkundung: Bis zur Durchfahrt zwischen Fænø und Middelfart ist das Revier bekannt; alles zwischen Middelfart und Fredericia ist neu. Wir folgen der Küstenlinie bis zum Shelterplatz Hindsgavl Dyrehave. Der taugt für eine Mittagspause, in der wir Schutz vor dem einsetzenden Nieselregen suchen, gut. Für die Nacht wäre es uns zu unruhig: Ein Parkplatz dicht dran, insgesamt vier Shelter, an denen vorbei der offizielle Wanderweg führt. Dazu die alte Kleine-Belt-Brücke direkt vor der Nase. Nee, wir wollen noch ein Stück weiter.

Strömungsbedingt halten wir Kurs auf Snoghøj. Hinter der neuen Kleine-Belt-Brücke kreuzen wir hinüber Richtung Leuchtturm Strib Fyr. Auf dem Wasser ist außer uns nichts los; die Wellen lassen die Boote tanzen. Mein Blick geht ins gefühlte Nichts: Der Himmel ist vollständig verhangen, das Nieseln hält an und es wirkt als wäre es schon Abend.

Der Shelterplatz Strib Nordstrand wird unser frühes Tagesziel. Das Geniesel ist inzwischen zu Regen geworden. Ich empfinde das Einrichten des Shelters als müßig: So schick die Shelter auf Fünen von außen sind, so unpraktisch finde ich sie, wenn Nässe, Sand und mehr als eine Person zusammenkommen. Zwar gibt es einen überdachten Sitzplatz mit Feuerstelle unterhalb der beiden Shelter, wo man Dinge zwischenlagern und vorsortieren kann. Doch direkt an der Draußenunterkunft fehlt für mein Empfinden ein kleines Vordach und es ist insgesamt doch sehr beengt, jedenfalls für Allwetterpaddler im Regen.

Dennoch: Ich muss heute kein Zelt im Nassen aufbauen und mag es, neue Draußenunterkünfte zu testen. Manchmal allerdings komme ich zu dem Schluss, dass “das Schöne eben doch im Einfachen wohnt” (frei nach dem schwedischen Designer und Architekten Ernst Kirchsteiger). Die ursprüngliche Shelterform mit erhöhtem Holzboden, Holzwänden an drei Seiten und kleinem Dachüberstand funktioniert einfach hervorragend. Für die Shelter auf Fünen brauche ich definitiv einen zweiten Versuch, jenseits einer herbstlichen Fieswettersituation!

Tourplanänderung

Das mit dem fiesen Wetter hält bis zum Morgen an: Spätes Frühstück mit Aussicht auf Grau. Paddelstart mit Hoffnungsschimmer überm Kleinen Belt. Vorbeifahrt an Middelfart mit der nächsten Portion Geniesel im Gesicht. Nach Aussteigen ist keinem von uns. Lieber machen wir eine kleine Dümpelpause und fotografieren ein wenig im Regen herum – mit Wassertropfen auf den Kameralinsen.

Als wir die Nordspitze von Fænø erreichen, klart es auf. Kurz bin ich geneigt, meinem Wunsch nach einer Übernachtung auf Fænø Kalv nachzugeben. Immer wieder gerne bin ich auf dieser kleinen Insel und um diese Jahreszeit bei diesem Wetter wird da bestimmt nicht viel los sein.
Der über die folgende Nacht deutlich zunehmende Wind allerdings macht uns Sorge und treibt uns schon heute weiter gen Süden. An meinem Lieblingsshelterplatz vom ersten Abend brauche ich eine Pause. Und wir eine Entscheidung: Hier bleiben und in aller Herrgottsfrüh am nächsten Tag lospaddeln, um vor dem Windstärkenpeak zurück in Hejlsminde zu sein? Oder heute noch die ganze Strecke durchziehen?

Wieder kabbeln sich zwei gegensätzliche Wünsche in mir: Das Bild des Sonnenaufgangs am Rande des Sønder Stenderup Sønderskov lässt mich hierbleiben wollen. Die Gewissheit, dass ich diesen Sonnenaufgang gar nicht von meinem Schlafsack aus sehen werde, weil ich um diese Uhrzeit längst im Boot sitze, nimmt die Entscheidung ab. Wir paddeln quer über die Bucht und akzeptieren einmal mehr, dass hier draußen die Natur den Rhythmus vorgibt.

Solche Änderungen gehören dazu. Der Grat zwischen Vernunft und Wunsch ist mitunter ein schmaler. Doch für diesmal bringt diese Entscheidung schließlich mehr Ruhe in die freien Tage und für mich die ungeplante Gewissheit: Trotz deutlich weniger Training in den letzten Jahren und nicht ganz fitter Schulter kann ich an einem halben Tag noch 30 Kilometer paddeln. Und ich merke: Genau davon will ich wieder mehr. Der Anfang ist gemacht!

Info & Tipps:

Der Kleine Belt (dänisch: Lillebælt) ist ein abwechslungsreiches Paddelrevier im südlichen Dänemark, in dem man – je nach Wind- und Wetterlage – gute Möglichkeiten für kürzere und längere Touren hat. Mit Querungen oder ohne, mit Inselzeit, Sand-, Stein- und Steilküsten. Zu meiner Zeit im nördlichen Schleswig-Holstein bin ich früher öfters für ein paar Kopffreitage hierher gereist. Ein paar Infos zum Paddelrevier, zu den Übernachtungsmöglichkeiten und zur Infrastruktur im Kleinen Belt findest Du am Ende dieses Artikels.

Für diese Tour haben wir in Hejlsminde geparkt, wo man das Auto direkt oberhalb des schmalen Sandstrandes abstellen und in der Bucht hervorragend einsetzen kann. Von hier aus erreicht man auch in kürzeren Abständen schöne Übernachtungsplätze, was vor allem dann relevant ist, wenn die Anreise etwas weiter ist und man eben erst am Nachmittag loskommt.

Die Etappen:
(1) Hejlsminde, Strand > Shelterplatz Sønder Stenderup Sønderskov (11 km)
(2) Shelterplatz Sønder Stenderup Sønderskov > Fænø, Ost > Snoghøj > Shelterplatz Strib Nordstrand (19 km)
(3) Shelterplatz Strib Nordstrand > Middelfart > Fænø, Nord/West > Shelterplatz Sønder Stenderup Sønderskov > Kalvehøj > Hejlsminde, Strand (30 km)

Wichtig:
Immer mehr Shelterplätze in Dänemark erfordern eine Online-Buchung. Die Infos zur Lage, zur jeweiligen Ausstattung und den Reservierungsmodalitäten findest Du unter www.udinaturen.dk. Bitte halte Dich an die Buchung und zahle den kleinen Obolus für eine Übernachtung, wenn dies verlangt wird! Auch dann, wenn Du vielleicht der einzige Gast bist und denkst, es merkt ja eh keiner. Die Shelter, Sitzgelegenheiten und Feuerstellen werden schließlich nicht nur konzipiert, gebaut und errichtet, sondern regelmäßig gewartet. Zudem wird der Müll aus den Mülleimern entsorgt, teilweise gibt es einfache Toilettenhäuschen am Rande der Plätze und ergänzende Informationen zur Region und zu den Touroptionen.
Ich persönliche schätze diese Infrastruktur in den nordischen Ländern, die das Draußensein auch über Nacht vereinfacht und das legale Übernachten in der Natur ermöglicht, sehr.
Da es aber vor allem im Sommerhalbjahr, in Ferienzeiten und an Wochenenden immer mal sein kann, dass die Shelter belegt sind, rate ich dazu, nicht ohne Zelt loszupaddeln. Im Kajak haben wir, im Vergleich zum Rucksackwandern, ja einen gewissen Platzluxus und verschaffen uns durch die Option der Zeltübernachtung noch ein bisschen Freiheit mehr auf Tour.

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