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Seekajak im Kleinen Belt: Eine Vier-Tages-Tour

Auf der Suche nach einem Titelbild frage ich mich: “Was ist eigentlich so richtig ‘typisch Kleiner Belt’?” Die Steilküsten? Die Inselidylle auf Bågø und die Abendstimmung auf Fænø Kalv? Oder eher der Kontrast zwischen spiegelglatter Morgensee und wütender Brandung am Nachmittag? So recht beantworten kann ich meine Frage trotz einer Vielzahl an Photos von dieser Tour nicht.

Vermutlich liegt genau hierin der Reiz: Der Kleine Belt ist eines meiner Lieblingsreviere für kleine Mehrtagestouren. Von früheren Ausflügen hierher erinnere ich Wellenberge und Als-wäre-nichts-gewesen-Wasser, sandfarbene Steilküsten im warmen Abendlicht und Wetterwechsel, die einen bei der Durchsicht der aktuellen Photos glauben lassen, dass die Vier-Tages-Tour ein vierwöchiger Urlaub war.

Als ich am Ende des Badestrandes von Flovt, südlich von Aarøsund, einsetze, ist Hochsommer. Blauer Himmel, Sonne satt und nur ein Hauch von Wind. Zum ersten Mal habe ich mein neues Kajak, einen Arrow Play MV von Zegul, gepackt. Ich bin gespannt, wie spielerisch sich der Kleine mit voller Ladung verhält. Da kommt mir die Aussicht auf zunehmenden und drehenden Wind recht gelegen!

Kaum habe ich nördlich von Aarø den Bug gen Bågø ausgerichtet, vernehme ich ein leises Schnauben: mindestens drei dunkle Kulleraugenpaare begleiten mich. Seehunde tollen in etwas Abstand um mein Boot herum.

Mein erstes Ziel ist die Insel Bågø. Ich habe mir vorgenommen, auf meinen Touren wieder mehr Landerkundungen einzubauen. So parke ich mein Boot zwischen Leuchtturm und Hafen und starte zu einem kleinen Spaziergang. Ich wähle die blau markierte Route, die mich in den Ort führt. Über einen Graspfad, an Obstbäumen vorbei und dann noch zu einem Abstecher zur Kirche. Auf dem Rückweg kaufe ich ein: Hagebuttenmarmelade aus dem Schrankstand am Straßenrand. Dänischer geht’s nicht!

Am Inselmuseum “Hestestalden” (dt. “Pferdestall”) setze ich mich in den Schatten. Gegen Bar- oder mobile Bezahlung gibt’s Kaffee, Tee, Kaltgetränke und Eis. In Selbstbedienung. Wunderbar!

Weniger als 30 Menschen leben dauerhaft auf der zu Fyn (dt. Fünen) gehörenden Insel. Im kleinen Hafen herrscht reges Treiben; vereinzelt kommen mir ein paar Fahrradfahrer entgegen; ansonsten scheint es recht beschaulich zuzugehen auf Bågø. Das bestätigt mir der freundliche Herr, den ich schließlich auf meiner Abendrunde auf der Nordseite der Insel treffe. Er lebt hier. Zugezogen nach etlichen Jahren in Kopenhagen. Was für eine Veränderung!

Als ich meine Wander-Flip-Flops (Die spaziertauglicheren Schuhe habe ich natürlich in der Spitze des Bootes versenkt…) wieder gegen die Neoprenschuhe tausche, peile ich die Ostküste des Kleinen Beltes an. Über die Buchten Tybrind Vig und Føns Vig geht es norwärts, an Middelfart sowie an der Ostseite von Fænø vorbei und bis zur kleinen Schwesterinsel Fænø Kalv.

Wäre es nicht viel zu heiß für Landpausen, käme ich wohl öfters in Versuchung: Immer wieder laden Strandabschnitte zu Pausen ein. Zwar ist’s mitunter steinig, doch auch alleine findet man ausreichend Stellen, um sanft anzulanden und das Boot aus dem Wasser zu bekommen.

Fænø Kalv erreiche ich früher als geplant. Ich überlege, noch ein Stück weiterzupaddeln. Doch da ich mich auf die Übernachtung hier gefreut habe, bleibe ich meinem Plan treu. Ich gehe baden, koche mir einen Kaffee, lege mich jetzt auch einfach mal faul in die Sonne. Urlaub!

Als ich mit dem Sonnenuntergang meinen Abendspaziergang beende, gehört die Insel für eine Nacht den beiden Paddlern auf der anderen Seite und mir. Ich bin froh, unter der Woche hier zu sein. Der Platz ist bekannt und beliebt und an den Wochenenden ist hier meist deutlich mehr los…

Wie angekündigt, werde ich am folgenden Morgen von zaghaft anklopfenden Regentropfen geweckt. Die Lichtstimmung vor dem Zelt ist diesig; um mich herum herrscht absolute Stille. Solange, bis die zehn Einheimischen auf ihrem morgendlichen Streifzug neugierig vorbeischauen:

Für mich geht es nach dem Frühstück noch ein Stück Richtung Kolding und dann wieder südwärts. Ich folge der westlichen Küstenlinie des Kleinen Belts. Der Wind hat auf Süd gedreht. Kaum bin ich hinter Gammel Ålbo um die Ecke gepaddelt, nehmen die Böen zu. Schlagartig ändert sich die Wasserfarbe. Der Himmel verdunkelt sich. Erstes Grummeln hinter den Wolken. Mit Gewitter auf dem Wasser ist nicht zu spaßen. Also: Rein in die Brandung, raus aus dem Wasser!

Die Entscheidung soll sich als richtig erweisen und zeigt mal wieder: Wer sich in der Natur bewegt, tut gut daran, aufmerksam zu sein. Das gilt für Wege und Gewässer, für Strömungs- und Windverhältnisse und eben auch für den Blick gen Himmel. Mein Abwettern auf einem Shelterplatz ist eine gemütliche Runde: Drei Generationen einer Familie aus Deutschland sind auf Fahrradtour; wir teilen für rund eineinhalb Stunden Schicksal und Unterschlupf.

Fast gespenstisch ist’s schließlich zurück auf dem Wasser. Die Silhouetten der Inseln und Uferkanten wecken in mir den Gedanken, dass das hier nun fast ein wenig ausschaut wie damals auf meiner Finnland-Tour, wo man im Schärengebiet permanent umringt ist von aus dem Wasser schauenden Steinbergen und Wäldchen. Und das so kurz hinter der Grenze zu Skandinavien, im südlichen Festland-Dänemark!

Am nächsten Vormittag passiere ich Hejlsminde mit seiner schmalen Einfahrt Richtung Minihafen und Noor. Tiefblauer Himmel, bunte Fischerboote und dahinter hügeliges Grün sind ein schöner Kontrast zu den milchigen Nach-Gewitter-Farben des Vortages.

Wenig später umpaddle ich eine satt-dunkel bewaldete Landspitze mit Ferienhäuschen in der darunter liegenden Bucht. Nun fühle ich mich für einen kurzen Augenblick ein bisschen wie in Schweden …
Mich begleitet der Gedanke, wie unfair es doch ist, Landschaften, Länder und Eindrücke zu vergleichen. Sie stehen doch alle für sich und haben genau darin ihren Reiz. Und doch tut man es immer wieder. Weil Landschaften eben auch Erinnerungen hervorrufen. Was wiederum ja etwas Schönes ist!

Als ich in der Bucht Avnø Vig ankomme, entscheide ich mich für einen Abstecher in den “Geheimtipp”, den ich hier im letzten Jahr bekommen habe: Ich paddle in den Sillerup Bæk hinein. Das Wasser unter mir reflektiert eiskalt. Licht und Farben sind schon wieder vollkommen verändert. Es beginnt, zu regnen. Noch einmal also ein Kulissenwechsel, ehe ich final Kurs nehme und über Aarøsund zurück zu meinem Startort Flovt Strand paddle.

Vielleicht liegt das, was ich eingangs als “typisch Kleiner Belt” zu illustrieren versuchte, doch einfach darin, dass sich dieses Paddelrevier nicht mit nur einem Bild darstellen lässt. Die Landschaft variiert stark, man paddelt zwischen West- und Ostufer und an Inseln vorbei, während Natur und Zivilisation doch sehr nah beieinander liegen. Dazu Buchten und Strände, die einem auf wunderbare Weise immer wieder aufs Neue das Gefühl vermitteln, auch auf einer kleinen Auszeit “ganz weit weg von allem” zu sein.

Fazit:
Als mich die Brandung im Abendlicht auf meinen Startstrand bei Flovt zurückschaukelt, habe ich im Kopf schon die nächste Tour geplant: Ich bin neugierig auf die Küstenlinien nördlich von Fænø Kalv. Obwohl es auch in den mir recht gut bekannten Revieren ganz im Süden Dänemarks immer wieder Neues zu entdecken gibt, reizt es mich, herauszufinden, wie es in und ab den Ecken, Fjorden und Buchten ausschaut, die man von Fænø Kalv aus erkennen und erahnen kann.

Info & Tipps:

Der Kleine Belt ist ein von Norddeutschland aus gut erreichbares Revier, das je nach Wind- und Wetterlage unterschiedliche Möglichkeiten für Mehrtagestouren bietet.
Zu beachten ist das Zusammenspiel von Strömung und Wind; Buchten und Fjorde laden zum Auspaddeln oder Queren ein und überraschen mit abwechslungsreichen Küstenformen. Der Schiffsverkehr ist im beschriebenen Gebiet überschaubar; in der Hochsaison ist mit etlichen Seglern, Motorbooten und anderen Freizeitgefährten zu rechnen.

Meine Etappen:
(1) Flovt Strand > Aarø > Bågø (Inselrundgang): 16 km
(2) Bågø > Tybrind Vig > Føns Vig > Fænø Kalv: 28 km
(3) Fænø Kalv > Paradisbugten > Bjert Strand > Hejlsminde: 23 km
(4) Hejlsminde > Avnø Vig/Sillerup Bæk > Aarøsund > Flovt Strand: 27 km

Die Tour führte also von der Ostküste Jütlands an die Westküste von Fünen. Unterwegs gibt es mehrere Optionen für das Nächtigen auf offiziellen Zelt- und Shelterplätzen. Diese sind auf der Website www.udinaturen.dk verzeichnet.
Tipp: Der Shelterplatz im Stenderup Sønderskov ist richtig schön gelegen. Zwischen Wald- und Wasserkante, mit fantastischem Blick auf den Sonnenaufgang und mit Bänken und Feuerstelle.

Neben dem für diese Tour gewählten nördlichen Abschnitt von Flovt Strand gibt es weitere Sandstrände, die sich gut zum Einsetzen der Boote eignen und die Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe zum Strand haben. Aarøsund, Hejlsminde und Bjert Strand beispielsweise sind solche Orte.

Für Infrastruktur wie Frischwasser, Abfallentsorgung, Übernachtung, Sanitäranlagen und kleiner Einkaufsmöglichkeit können Häfen oder Campingplätze angesteuert werden.

Tipp: Auf Bågø liegt ein kleiner Campingplatz direkt hinter dem Segelhafen – ein schönes Zwischenziel, wenn man auch mal Lust auf einen Land- bzw. Inselrundgang hat! Auch Fahrräder können direkt am Hafen geliehen werden.

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