Schnee, Eis, Ostwind. Und das nicht nur für einen Tag. Es ist richtig Winter geworden in Nordfriesland. Das heißt für mich: Wandern einmal anders, ab auf die Langlaufskier!
Es geschieht selten, dass wir hier an der Küste einen solchen Wintereinbruch haben, der mit Schnee daherkommt und mit Temperaturen, die diesen nicht gleich wieder verschwinden lassen. Der Boden ist schon seit Tagen gefroren. Als der Wetterbericht den ersten Schnee ankündigt, hoffe ich: “Bitte so viel, dass es für eine Langlaufrunde reicht!”
Es sollte reichen: An drei von vier Schneetagen war ich bis zum Verfassen dieses Artikels unterwegs. Auf meinen alten Skiern aus Jugendzeiten, die ihr Dasein seit vielen Jahren in unterschiedlichen Kellern fristeten. Nun endlich dürfen sie raus, mit dem Zweck, zu dem ich sie einst aus meiner süddeutschen Heimat nach Schleswig-Holstein geschafft habe: Um gerüstet zu sein, sollte Langlauf in Nordfriesland doch mal möglich werden.
Premiere am Deich
Die allererste Mittagsrunde auf den Skiern soll – Wir sind hier schließlich an der Nordsee! – an den Deich führen. Die Autotüre bekomme ich gegen den Wind kaum auf. Unter meine bunte Pudelmütze ziehe ich noch eine dünne Sportmütze. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es wirklich eisig ist! (Ich hasse Mützen auf meinem Kopf!)
Auf dem Weg über den Deich zerrt der Wind an meinen geschulterten Skiern. Zweifel daran, ob das hier nun eine gute Idee ist oder nicht, kommen mir in keinem Moment. Ich stapfe los. Noch ist’s etwas mühselig, da das Gras doch sehr dünn mit Schnee bedeckt ist. Aber es geht! Bis zum Hindenburgdamm komme ich, schaue einmal hinüber nach Sylt und drehe um. Immer wieder muss ich anhalten, weil es irgendwie surreal ist: Ich stehe tatsächlich auf Langlaufskiern am Deich und gucke übers Wattenmeer. Was für eine perfekte Mittagspause!
Ich spure meine eigene Loipe
Noch breiter wird mein Glücksgrinsen, als ich am Folgetag in den Karlumer Wald fahre. Die Schneedecke ist hoch genug, zum Teil noch ganz jungfräulich. Nur auf den Hauptwegen finde ich vereinzelte Fuß- und Hundespuren. Ich bahne mir meine eigene Loipe. Es läuft so gut, dass ich zügig und so richtig reinkomme in die klassische Langlaufbewegung. Stock, Fuß, Bein, abstoßen, gleiten, andere Seite. Mir wird warm. Das lädierte Knie macht einigermaßen mit. Ich bin erstaunt, wie gut und schnell ich meinen Rhythmus finde.
Kreuz und quer erkunde ich den Wald, mache eine kleine Pause und freue mich schließlich, als ich für die letzten Meter wieder in meine zu Beginn gezogenen Spuren einfädeln kann. Das ist jetzt quasi eine richtige Loipe!
À propos Loipe: Mit gespurten Langlaufstrecken und hintereinander Herlaufen hatte ich es noch nie. Rein ins Gelände, eigene Runden komponieren und dabei Wege und Landschaften, die man von Spazier- oder Radtouren kennt, auf nochmal andere Art wahrnehmen – das ist mein Ding. Winterwandern auf Skiern also!
Morgenrunde mit Draußenfrühstück
Als ich zu meiner dritten Runde auf den Skiern aufbreche, sind meine Spuren im Wald zerstört. Zertrampelt, überfahren, nur noch auf einem kleinen Stück zu erkennen. Die Wege sind zunehmend verharscht; Neuschnee wäre toll! Es ist Samstag Morgen, ich habe mein Frühstück im Rucksack und lasse mir mein Ich-bin-schon-wieder-unterwegs-Glücksgefühl nicht nehmen. Bald schon verlasse ich den Hauptweg, biege ab auf kleinere Pfade und habe gleich wieder ein völlig anderes Lauferlebnis.
Am Fuße eines Hochsitzes schnalle ich die Skier ab, ziehe eine winddichte Jacke über und packe meinen Tee und den am frühen Morgen gekochten Grießbrei aus. Etwas Warmes tut gut: Der Ostwind fegt in 7er-Böen über mich hinweg. Gefühlt minus zehn Grad sind es angeblich. Ich glaube das sofort. Die Pause fällt kurz aus.
Ob es wohl mit einer vierten Tour klappt in den nächsten Tagen? Ich hoffe es. Jetzt, da meine Kajak-Einsatzstellen zugefroren sind. Jetzt, da mich der Spaß an diesem wundervollen Draußensport, der übrigens ein hervorragendes Ganzkörpertraining ist, so richtig gepackt hat. Und jetzt, da ich in meiner norddeutschen Wahlheimat endlich anknüpfen kann an Wintererlebnisse, die mich von jüngster Kindheit an auf der Schwäbischen Alb geprägt haben …!