Was macht man, wenn man in Schweden frisch von einer fünftägigen Fjälltour zurück ist und noch einen Tag frei hat? Ganz einfach: Man geht nochmal ins Fjäll, nur in ein anderes. Mich jedenfalls zog es nach meinen Tagen im Fulufjället spontan für eine sehr herbstliche Tageswanderung ins Nipfjället im nördlichen Dalarna. Rentiersichtung inklusive!
Das Naturreservat Städjan-Nipfjället ist ein leicht zugängliches Fjällgebiet. Es ist beliebt für Tagestouren und Familienausflüge. Der Berg Städjan prägt mit seiner vulkanähnlichen Form das südliche Landschaftsbild. Als ich den ersten Blick auf ihn erhasche, versteckt sich seine Spitze in den Wolken. Der kleine Bruder Lillnipen ist fast komplett in graue Schleier eingehüllt.
Nebelgrau und trotzdem schön
Ich beginne meine Runde am Nipfjället-Winterparkplatz und gehe über den Trollvägen bergauf. Nipgubben (das Nipmännchen) scheint mich aufmerksam zu beobachten. In immer kürzer werdenden Abständen wehen mir Nebelfetzen entgegen. Oder sind es gar Wolken? Ich erkenne kaum den Unterschied; so dicht ist die vor mir liegende graue Wand. Ich folge der Straße bis zum Sommerparkplatz. Viel ist da heute nicht los.
Auf den Aufstieg zum Lillnipen verzichte ich. Was würde ich schon sehen? Ich gehe rechts an ihm vorbei. Der Plan ist, die Tour „Nipfjället runt” zu gehen. Die ist gut 15 Kilometer lang und führt mit nur 200 Höhenmetern ums Fjäll herum. Das scheint mir der perfekte Ausklang für meine Wandertage in Dalarna zu sein.
Sonne zum Mittag
Als um die späte Mittagszeit herum ganz vorsichtig die Sonne hervorblinzelt, bin ich froh, mir heute früh so viel Zeit gelassen zu haben. Zu gemütlich war es in meiner Unterkunft, im Turistgården Särna. Nach meinen fünf Tagen draußen schmeckte der starke Kaffee extra gut und der zweiten Scheibe frisch gebackenem Sauerteigbrot mit üppig Butter und selbst gemachter Marmelade drauf konnte ich nicht widertehen. Ich habe mich mit Hausherrin Mieke verquatscht. Ohne diesen großen Drang, nochmal hoch ins Fjäll zu gehen, wäre ich wohl bis zum Nachmittagskaffee sitzen geblieben.
Nun aber habe ich etwa ein Drittel meiner Tour geschafft. Das Gehen auf den teils weichen, teils steinigen Pfaden ist eine Wohltat. Das letzte Laub an den Bäumen erstrahlt im Licht.
An der Ulandsstugan angekommen, scheint mir die Sonne sogar für einen Augenblick mitten ins Gesicht. Ich richte mich für eine Pause ein. Draußen, auf der Bank hinter der Hütte. Die Anhöhe des Fjälls ist jetzt zu erkennen. Was für ein schöner Moment, in dem ich nochmal richtig tief durchatme und einfach nur glücklich bin darüber, dass ich so spät im Jahr noch so fantastisch schöne Tage hier oben erleben darf.
Im Glückstaumel bergauf
Vor lauter Glück passiert mal wieder, was offenbar ein bisschen zur Gewohnheit wird bei mir: Ich biege falsch ab. Ich schaffe, was eigentlich kaum möglich ist. Anstatt am Wegweiser hinter der Hütte geradeaus und den höhenmeterarmen Weg ums Fjäll zu gehen, steige ich nochmal auf. Irgendetwas zieht mich hoch. Nun gut … Allzu weit kann’s ja nicht sein.
Ich lasse den Blick über das Tal unter mir schweifen und über den gut erkennbaren Wanderweg, der nach Norden und zum See Stora Harundsjön führt. Der Wind frischt unterdes auf. Die Herbstfarben des niedrigen Fjällbewuchses leuchten intensiv. Zur Sicherheit schaue ich flugs auf die Karte. Ja, übers Fjäll führt ein Weg. Ich sollte nach der Überquerung wieder auf den Rundkurs stoßen.
Es ist ein wenig wie mit mir und den Kochbüchern: Ich liebe die ihnen entspringende Inspiration. Aber in der Umsetzung bin ich eher Typ Freestyle. Das gilt jetzt also auch in der Natur, jedenfalls dort, wo solche Abweichungen vom Ursprungsplan sicher durchführbar sind.
Auf dem Plateau oben auf dem Fjäll wird’s nass unter den Füßen. Die Lichtstimmung um mich herum gibt alles. Der Schlenker hat sich gelohnt! Und dass meine Intuition bezüglich der Orientierung richtig war, zeigt sich beim Abstieg: Laut Wegweiser sind es jetzt noch sechs Kilometer bis zu meinem Parkplatz.
Die führen schon bald wieder durch Wald. Kunstwerke aus Totholz, Moosen und Flechten säumen den Weg. Der ist hier und da mit etwas Kraxelei über Steine verbunden. Ein jüngeres Paar kommt mir noch entgegen. Ansonsten habe ich seit der Ulandsstugan niemanden mehr getroffen, leider auch keine Rentiere.
Rentiere von links
Die Wahrscheinlichkeit, im Naturreservt Städjan-Nipfjället Rentiere zu sehen, ist groß. Das Fjäll wird von Herden der südlichsten Sami-Gemeinde in Schweden, Idre Sameby, beweidet. Und das heißt auch: Augen auf im Straßenverkehr! Ich hatte meine Rentierbegegnung des Tages auf dem Hochweg zum Parkplatz, von links nach rechts über die Straße und hinein in den Wald auf der anderen Seite.
Noch ein Grund mehr, nicht mehr allzu dolle zu trödeln auf den letzten Metern! Ich möchte noch im Hellen hinunterfahren. Nach schließlich knapp 17 Kilometern und 443 Höhenmetern im Anstieg. Ein feiner Abschluss, mit heute leichtem Gepäck!
Infos & Tipps
Das Naturreservat Städjan-Nipfjället:
Moltebeeren, Moore und Moose, Seen, Wald und Berge mit Höhen bis zu 1.191 Metern – das leicht zugängliche Fjällgebiet im nördlichen Dalarna bietet auf einer Fläche von rund 240 Quadratkilometern eine große landschaftliche Vielfalt. Nahegelegene Orte sind der berühmte Skiort Idre und das beschaulichere Särna.
Ob eine kurze Toptour auf den auch für Familien mit kleineren Kindern gut erreichbaren Lillnipen oder eine Ganztagestour: Im Naturschutzgebiet Städjan-Nipfjället gibt es etliche markierte Wanderwege, die man zu eigenen Touren kombinieren kann. Am Winter- bzw. Ganzjahresparkplatz gibt es Übersichtskarten und Infotafeln, die für die Orientierung für eine Tagestour wunderbar ausreichend sind. Hier gibt’s auch ein paar Hintergründe zu der Rentierbeweidung im Fjäll und zu Flora und Fauna sowie Inspiration für weitere Touren und Aktivitäten im schwedisch-norwegischen Grenzland.
Auch schön: Es gibt mehrere Rasthütten, die dazu einladen, das mitgebrachte Rucksackpicknick zu zelebrieren, oder auch Schutz bieten, wenn das Wetter unwirtlich wird.
Anreise und Parken:
Ich habe meine Tour am Nipfjället-Winterparkplatz (Nipfjällets vinterparkering, Bergevägen) gestartet. Hier gibt es ausreichend Parkplätze, ein Toilettenhäuschen und Infotafeln mit Karten, auf denen man sich auch spontan eine Wanderroute aussuchen kann. Man kann von hier aus zum Beispiel eine entspannte 15-Kilometer-Runde um das Nipfjället gehen oder rüber zum Berg Städjan. Geht man, wie ich, die Rundtour gegen den Uhrzeigersinn, hat dieser Parkplatz den Vorteil, dass man am Anfang ein Stück parallel zur Straße hoch auf den kleineren und bei Touristen beliebten Sommerparkplatz bergauf geht und am Ende recht entspannt durch den Wald direkt zum Parkplatz zurückkommt.
Von Särna aus fährt man mit dem Auto eine gute halbe Stunde bis Städjan-Nipfjället. Von Idre aus ist es eine Viertelstunde.
Übernachtungstipp
Als Ausgangspunkt für Erkundungen zwischen Städjan-Nipfjället und Fulufjället empfehle ich den Turistgården Särna. Ich habe hier zwei wunderbar entspannte Nächte verbracht und wäre am liebsten noch länger geblieben. Das Frühstücksbüffet ist der perfekte Start in den Tag und die schlicht-liebevoll eingerichteten Zimmer sind einfach gemütlich. Tipps für Erkundungen in der Region gibt’s gerne von der Herbergsfamilie um Mieke und Jacco.
TIPP: Ich habe hier über meine Fünf-Tages-Tour im Fulufjället-Nationalpark geschrieben. Auch dort kann man hervorragend wandern, spazierengehen und sich im Infozentrum Naturum über die besonderen Lebensräume im Fjäll informieren.
Alle Links und Informationen: Stand Dezember 2024.