Einfach mal machen: Den Rucksack mit dem Nötigsten für eine Nacht packen und loswandern. Mit dem neuen Ein-Personen-Zelt im Gepäck: Testtour ab Haustüre. Oder: ein kleines Kurz-mal-raus-Abenteuer in Nordfriesland.
Seit Jahren habe ich mit mir gehadert, ob ich mit Zelt und Kocher und Co. wandern gehen möchte. Bis dato war “die große Ausstattung” den Paddeltouren vorbehalten. Beim Wandern habe ich in festen Unterkünften übernachtet. Für Hütten, Herbergen, Hostels und Pensionen brauchte ich weder Isomatte noch Kochausrüstung.
Als Diabetikerin schleppe ich eh immer etwas mehr mit mir herum. Die medizinischen Notwendigkeiten samt ausreichend Ersatz dürfen genauso wenig fehlen wie ein ordentliches Plus an Kohlenhydraten, die ich zu mir nehme, wenn der Blutzucker infolge der Bewegung schnell abfällt. Da überlegte ich schon gut, ob ich meinem Rücken und den Füßen weitere Ausrüstungsmasse zumuten möchte.
Schlussendlich hat der Wunsch, das autarkere Wandern anzugehen, gesiegt. Weil mir diese Freiheit da draußen so viel bedeutet und es für mich nichts Schöneres gibt, als rund um die Uhr in der Natur zu sein. Die Luft, die Geräusche, die vertrauten und die immer wieder neuen Eindrücke – einfach befreiend!
Einen Übernachtungsplatz für meine kleine Premierentour hatte ich mir schon längst ausgeguckt: Die Initiative Wildes Schleswig-Holstein ermöglicht an mehreren Orten in Schleswig-Holstein das Draußenübernachten, ähnlich wie es zum Beispiel in Dänemark auf ausgewiesenen Zelt- und Shelterplätzen der Fall ist. Ich habe das Glück, dass ein solcher Zeltplatz einen gemütlichen halben Tagesmarsch von meiner Wohnung entfernt liegt. Mitten im Wald bzw. in einem Forst.
Noch größer wird mein Glück, als ich feststelle, dass an diesem Abend außer mir niemand auf dem Platz ist. Und das, obwohl ich mich im (vermeintlichen) Hochsommer auf den Weg gemacht habe. (Naja, vielleicht liegt es ein wenig an den Nachttemperaturen und der etwas instabilen Wettersituation, Hochsommer hin oder her …)
So jedenfalls kann ich in aller Ruhe meine neue Behausung aufstellen, mein mitgebrachtes Essen warm machen, mir die Abendsonne ins Gesicht scheinen lassen und mich ausgiebig über meine Spontaneität des einfach Losgehens freuen. Am Abend und am Morgen darauf:
Regentropfen spazieren über das Zeltdach. Die Füße sind kalt, die Daunenjacke habe ich über die Hände gezogen. Es fühlt sich zwar nicht nach Sommer an, doch nach Freiheit.
Auch wenn ich – das ist dem Los der Seitenschläfer auf minimalistischer Unterlage geschuldet – mehrmals aufwache, so sind Zeltnächte einfach das Entspannendste, was ich mir so denken kann (neben dem Paddeln, dem Wandern, Natur genießen, einfach aufs Meer starren, gedankenverloren am Morgen vor der Berghütte sitzen…). Dieses Gefühl, wenn man sich aus dem Schlafsack schält, den leise ratschenden Reißverschluss des Außenzeltes öffnet und sich schließlich vorgearbeitet hat aus seiner kleinen Höhle hinaus in die Welt. Und wenn genau diese Welt alles ist in dem Moment, in dem das Kaffeewasser brodelt und im nächsten der auf Tour geliebte Instantespresso im farbenfrohen Faltbecher die klammen Finger wärmt.
Mein eigentlicher Plan war der: Am Donnerstag früh anfangen zu arbeiten, fleißig sein, um am Mittag den Rucksack für ein kleines Zeltabenteuer ab Haustüre packen zu dürfen. Losmarschieren, Zelt aufschlagen, kochen, schlafen, Morgenkaffee und Frühstück genießen und gegen Mittag wieder zuhause sein. Denn: Der Freitag Vormittag sollte trocken sein, gegen Mittag Regen einsetzen.
Als der sich schon gegen halb sieben in der Früh leise tröpfelnd anschleicht, freue ich mich ein klein wenig: loslassen, Spontanes zulassen und auch in kleinen Entscheidungen (noch) mehr Natur in meinem Leben zu haben, das ist Teil meines momentanen Weges hin zu einer Form von Alltag, die ganz schön anders ist als das, was ich in den letzten Jahren gelebt habe. Anders als das, was mir nicht gut tat und mich vor allem nicht glücklich gemacht hat.
Nun also habe ich – im wahrsten Sinne des Wortes – einen Weg eingeschlagen, in dem meine Liebe zur Natur eine noch größere Rolle spielt. Einen Weg, der mich, wenngleich nicht immer, so doch schon erstaunlich oft sehr entspannt sein lässt und kurzfristiges Umentscheiden möglich macht. So wie an diesem Morgen: Ich werfe den Kocher nochmal an, mache mir einen Becher Tee, nehme mein Buch zur Hand und kuschle mich wieder ein. Wenig später ist, so ganz nebenbei, der Entschluss gereift: Ich bleibe einfach noch! Mein Notizheft ist immer dabei und so fange ich eben hier draußen an, zu arbeiten. Erledige das, was eigentlich für den Folgetag im Kalender steht und wofür ich keinen Computer benötige.
In nicht allzu großer Entfernung fangen Motorsägen an zu krächzen. Arbeitsbeginn auch bei den Waldarbeitern, nicht nur bei mir. (Wobei die mich gewiss weder hören noch überhaupt hier erahnen.)
Ich schätze mich glücklich, dass ich trocken in meinem Zelt hocke. Noch. Und das wiederum darf gerne so bleiben. Schließlich hat die kurzfristige Planänderung auch zur Folge, dass ich gleich mal testen kann, wie sich der Neuerwerb im Regen schlägt ...
Als gegen zehn Uhr der Regen nachlässt, packe ich zusammen. Nahezu trocken, da mein Lagerplatz den Luxus eines Shelters bietet. Der Rucksack ist deutlich leichter; das Abendessen und der überwiegende Teil des Wassers sind raus. Fröhlich spaziere ich los. Suche mir einen alternativen Weg zum Vortag, freue mich über mein spontanes “Ich mache das jetzt einfach” und werde auf die letzten Meter noch so richtig belohnt: Die Sonne bricht durch und ich passiere das Ortsschild meines kleinen nordfriesischen Nestes im T-Shirt. (Pünktlich zur Nachmittagsschicht im Home Office.)
Fazit: Einfach mal machen, spontane kleine Abenteuer unternehmen und dem Alltag für einen Moment entfliehen – absolut empfehlenswert! Erst recht, wenn der Gedanke schon lange im Kopf herumschwebt. Trau Dich!
Ein paar Tipps zum Start in die kleine Auszeit über Nacht:
Man braucht nicht viel, um mal eine Nacht im Draußen zu verbringen. Wenn man zu zweit ist, wird die Last auf dem Rücken noch geringer: Der Eine trägt das Zelt, der Andere die Küche. Wobei es hier für eine Nacht auch mal einfach sein kann: Das heiße Wasser für den wärmenden Becher Tee am Abend und den Morgenkaffee samt Porridge zum Frühstück kann man in einer guten Thermoskanne mitnehmen und abends gibt’s eine leckere Brotzeit. Das spart den Kocher.
Allerdings muss ich ja zugeben, dass ich es einfach liebe, mir mein Essen draußen frisch zuzubereiten. Irgendwie gehört das doch dazu …
Suche Dir einen Platz in der Nähe aus, von dem Du weißt, dass Du dort problemlos nächtigen darfst! Wild zelten ist in Deutschland nicht erlaubt. Doch es gibt immer mehr Regionen, die ausgewiesene Lagerplätze anbieten. An manchen Standorten gibt es auch Shelter, also einfache halb offene Holzhütten. In diesen schläfst Du mit Matte und Schlafsack und brauchst somit noch nicht mal ein Zelt mitzuschleppen. Teilweise ist eine Voranmeldung erforderlich.
Bei der lieben Bianca von lebedraussen! findest Du eine Übersicht der Trekking-Camps in Deutschland. Wachsende Initiativen wie ZeltzuHause ermöglichen das Zelten auf privaten Grundstücken, teilweise sogar mit Zelt, so dass man gar kein eigenes benötigt.
Und natürlich kannst Du auch den Bauern um die Ecke fragen, ob Du Dein Zelt mal für eine Nacht am Rande seiner Wiese aufschlagen darfst.
Oberstes Gebot bei all diesen Aktionen: Hinterlasse Deinen Lagerplatz so, dass keiner erkennt, dass Du da gewesen bist! Unter dem Stichwort “leave no trace” (“Hinterlasse keine Spuren”) kannst Du Dich einlesen und lernen, wie man so in der Natur unterwegs ist, dass man nichts und niemanden stört oder beschädigt und außer den eigenen Fußspuren nichts hinterlässt.
Natürlich gelten auch fürs kleine Kurz-mal-raus-Abenteuer die gleichen Regeln wie für jede andere Tages- oder Mehrtagestour: Informiere Dich vorab über die Region, die Wege und die Wetterprognose!