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Ein Kajak-Wochenende zwischen Wald und Felsen: Raslången

Weicher Waldboden, erstaunlich hohe Felsen, die ersten Blaubeeren der Saison und der Wind immer von vorne: So könnte die Kurzfassung meiner Kajaktour auf dem Raslången in Südschweden lauten. Obwohl der See gerade einmal gute 4,5 Quadratkilometer groß ist, gibt es da in der Langfassung einiges mehr zu erzählen. Und die beginnt damit, dass meine Tour am Mittsommerwochenende stattfindet.

Raslången ist der mittlere See des vor allem bei Schweden und Dänen beliebten Gebietes westlich von Olofström. Halen, Raslången und Immeln heißen die drei Seen, auf denen man mit Umtragerei im nördlichen Skåne und im westlichen Blekinge wunderbar mehrere Tage verbringen kann. Ich habe mich für diese kleine Solo-Auszeit für den Raslången entschieden und bin gespannt, wie das am wichtigsten Wochenende des Jahres so wird. Immerhin ist Mittsommer die Feier in Sommerschweden.

Raslången_Schweden_Insel

Kleine Inseln und viel Wald

Während ich für mein Auto auf dem Parkplatz Bökestad gerade noch so eine Lücke gefunden habe, packe ich ein Stückchen weiter, in Richtung Bökestad sågmölla, in aller Ruhe mein Boot. Am späten Vormittag paddle ich los, unter einer Brücke hindurch und im Steinlimbo gen Norden. Eng und flach ist die Durchfahrt. Die erste Miniinsel mit Kiefern drauf lässt nicht lange auf sich warten. Wasser, Felsen, Wald: Das hier fühlt sich gut an.

An Land ist jeder ausgewiesene Lagerplatz belegt. Ich sehe die Rauchwolken der Lagerfeuer, höre schwedischen Rap und das fröhliche „Glad midsommar“, das mir drei Jungs in weißen T-Shirts von hoch oben auf ihrem Felsen mit Aussicht zurufen. Zugegeben: Ein klein wenig sorge ich mich um meine Nachtruhe. Werde ich ein Plätzchen nur für mich finden?

Raslången_Durchfahrt bei Bökestad

Der Wind weht aus westlicher Richtung. Das Wasser des Raslången treibt er südwärts. Ich spüre die Frische im Gesicht und tauche immer wieder die Arme ins Wasser. Es ist Sommer und das fühlt sich in Schweden immer noch ein bisschen besonderer an. Hier lebt man die Jahreszeiten, freut sich ebenso traditionsbewusst wie intensiv über den Sommer, genießt und zelebriert die Wochen nach Mittsommer. Und dazu gehört eben auch, dass Menschen aus Schweden und aus dem Kopenhagener Umland das Wochenende hier draußen in Zelten, Sheltern und Hängematten verbringen.

Auf dem Wasser bin ich bald schon alleine. Ich bestaune Felswände und Felsbrocken, die so zu deren Füßen liegen, als hätte ein Riese mit ihnen wie mit Bausteinen gespielt. Meine Mittagspause mache ich auf Falkön. Ein kleiner Sandstrand ist perfekt zum Anlanden.

Raslången_Kajaktour

Entspannung auf dem Felsenbett

Der Wind zerrt teilweise energisch am Paddel, als ich nordwärts und bis kurz vor der Umtragestelle zum Gillesjön und Filkesjön weiterpaddle. Auf Umtragen habe ich keine Lust; den Bootswagen habe ich im Auto gelassen. Ich erkunde die Bucht Viken und finde schließlich an ihrem nördlichen Ende einen Zeltplatz ganz für mich.

Nachmittagskaffee auf dem Felsenbett, ein bisschen lesen, ein bisschen aufs Wasser schauen: Ich komme an im Entspannungsmodus. Einmal mehr braucht es so wenig, um zu spüren, wie sehr ich hier draußen zuhause bin. In dieser Landschaft, dieser Ruhe und fernab von dem, was mich noch auf dem Anreiseweg beschäftigte. Dieses Wenig ist dabei so viel: Uraltes Material, aus dem diese Landschaft entstanden ist. Filigrane Formen von Flechten und ein Waldboden, der einen eigenen Kosmos bildet.

Es ist kurz nach halb acht abends, als das harte Sommerlicht langsam weicher und wärmer wird. Mein Blick folgt einer Möwe, die über dem inzwischen spiegelglatten Wasser in meiner kleinen Bucht kreist und sich schließlich auf der Miniinsel gegenüber meiner Lagerstätte niederlässt.

Zelten am Raslången in Schweden

Zelten auf der Insel – oder doch nicht?

Ausgeschlafen wie lange nicht starte ich in den neuen Tag. Das Morgenbad ist erfrischend und belebt so sehr, dass ich mich plötzlich inmitten einer Morgengymnastik wiederfinde. Völlig natürlich fühlt es sich an. Einbeinig stehe ich auf meinem Felsen, atme tief und bewusst. Dann überkommt mich einer dieser Momente, die ich inzwischen gut kenne: Ich bin gerührt von so viel Naturschönheit und Stille und so unfassbar glücklich darüber, in dieser immer wieder so stark empfinden zu können.

Wie angekündigt, nimmt der Wind gegen halb zehn spür- und hörbar zu. Ich breche auf. Heute schleust der Wind von Süden nach Norden durch die dünnen Arme des Raslången hindurch. Ich paddle wieder gegenan. Es tut mir gut; Kopf und Körper mögen den Krafteinsatz.

Auf den anderen Lagerplätzen ist es noch recht ruhig. Ein Fischerboot tuckert neben mir her. Ich inspiziere den Shelter- und Einsetzplatz Blankaviken und die Umtragestelle Richtung Halen. Als ich ankomme, ist mein Boot das einzige. Eine halbe Stunde zuvor sah ich acht Kanadier und 17 Personen in die Einfahrt verschwinden, von der aus es an einem großen Bauprojekt zum Hochwasserschutz der Stadt Olofström vorbei in den Halen geht.

Auf Kiön, der größten Insel im Raslången, lande ich an. Das geht im Osten wunderbar. Auf dem Felsen mit Aussicht auf Sonnenaufgangspanorama möchte ich später zelten. Ob ich es riskieren kann, erst nochmal weiterzupaddeln? Ich möchte gerne auch die Bucht zwischen Bökestadsnäs und dem Lagerplatz Boafalls brygga erkunden und gehe das Risko ein, dass der hübsche Zeltplatz später womöglich von wem anders belegt ist. Vor der Einfahrt in die Bucht begegne ich auf Sichtweite einem Kanu. Das dreht ab: Es scheint den Paddlern darin zu windig zu sein. In der Tat freue auch ich mich, als ich wenig später, nach erfolgter Buchtauspaddelung, geschützt beim Nachmittagkaffee sitze. Es ist doch ordentlich pustig geworden.

Ich bin zwischenzeitlich nochmal auf Kiön gewesen. Der Zeltplatz war noch frei, doch allüberall so winddurchzogen, dass ich von meinem Wunschplan abrücke. Ich muss einfach bei Westwind ein weiteres Mal herkommen; dann sollte es hier lauschig sein. Unter knorrigen Kiefern und neben eleganten Birken, die sich ihren Weg nach oben aus Felsritzen heraus bahnen. Auf einer Insel, deren nördlicher Teil zu Skåne gehört und deren südliche Hälfte in Blekinge liegt. Verrückt, dieser Grenzverlauf!

Raslången_Ausblick von Kiön

Gewitterwarnung und Morgenruhe

Hinter meinem Kaffeeplatz etwas weiter südöstlich gibt es eine windabgewandte kleine Wiese. Der Platz ist nicht perfekt, aber doch so, dass ich ihn angesichts meines Wunsches nach Zeit nur für mich einem der offiziellen Plätze für die Nacht vorziehe. Ich beschließe, zu bleiben, auch wenn der Blick immer wieder hinüber zu einer kleinen Landzunge geht, die mir auch gut gefallen könnte. Auch sie ist allerdings dem Wind ausgesetzt.

Zwei Stockenten kommen zu Besuch. Ich lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen und kühle die Füße im Wasser. Und dann kommt doch alles anders: Eine Gewitterwarnung für die Nacht lässt mich umentscheiden. Ein offizieller Platz mit Shelter erscheint mir die bessere Wahl als ein frei stehendes Zelt am Waldrand. Ich packe zusammen und lande zeitgleich mit zwei jungen Dänen am Platz Havudden an. Die beiden kommen aus Kopenhagen, sind mit Zug und Bus angereist, haben sich in Olofström ein Kanu gemietet und schlagen ihr Zelt nun neben dem Shelter auf. Ich wähle ein Grundstück näher am Wasser und wir verabreden, uns im Falle eines ernstzunehmenden Gewitters nachts im Shelter zu treffen.

Mein Abendspaziergang führt über schmale Pfade durch den Klippenwald. Ich pflücke ein paar reife Blaubeeren und höre Stimmen aus der nächsten Bucht: Drei gelbe Kajaks liegen dort auf den Felsen. Die Nacht bleibt ruhig und ich genieße einen Morgen mit stillem Wasser, zarten Farben, den drei vorbeiziehenden gelben Kajaks und nochmal ganz viel Entspannung vor meinem Zelt.

Raslången_Lagerplatz Havudden

Für ab der Mittagszeit ist Windstärke acht angesagt. Die soll sich konstant halten. Meine Auszeit also nähert sich ihrem Ende. Es sind nur fünf Kilometer bis zum meinem Start- und Zielpunkt. Das ist perfekt, um mit langsamen Paddelschlägen aus dem kleinen Wochenendabenteuer auszusteigen. Dort, wo ich sogar am Mittsommerwochenende ruhige Zeltplätze gefunden habe und auf dem Wasser eine Ruhe, die für ganz viel #kopffrei sorgte.

Raslången_Südschweden_Kajak

Meine Etappen

  1. Bökestad, Sågmöllevägen > Kiön, Nord > Falkön, Ost > Raslången, Nord > Viken, Süd/Västervik > Viken, Nordwest (16 km)
  2. Viken, Nordwest > Havudden > Buchtende vor Gillesnäs > Blankaviken lägerplats > Alltidhult > Boafalls brygga > Kiön, Nord > Bucht südöstlich von Kiön > Kiön, Süd > Västerviks brygga > Havudden lägerplats (20 km)
  3. Havudden lägerplats > Bökestad, Sågmöllevägen (5 km)
Raslången_Schweden_Ufer

Infos & Tipps

Der See Raslången liegt im südlichen Schweden, auf der Grenze zwischen den Provinzen Blekinge und Skåne, knappe zwei Autostunden nordöstlich von Malmö. Die Grenze verläuft mitten durch den See und sogar mitten durch die Insel Kiön. Raslången ist gut 4,5 Quadratkilometer groß. Die Ufer sind gesäumt von viel Wald und teils hübsch hohen Felsküsten.

Der See war einst ein zentraler Transportweg für Holz, Kohle und Erz und ist heute, zusammen mit seinen Nachbarn Immeln und Halen, ein beliebtes Kanurevier. Die Infrastruktur mit offiziellen Lagerplätzen inklusive Sheltern, Feuerstellen, Mülleimern und Klohäuschen ist sehr gut. Alleine im beschriebenen Gebiet gibt es sechs Plätze. Parken und einsetzen kann man gut bei Bökestad. Die Einsetzstelle liegt etwas südlich vom Parkplatz, in Richtung der alten Mühle.

Wer ohne eigene Ausrüstung anreist, kann bei Kanotcentralen Olofström PE-Kajaks, robuste Kanus und sogar Zeltzubehör leihen. Auch Angelkarten und eine gute Übersicht über das Revier gibt es über den Verleiher.

Raslången_Kanu-Verleih Olofström

Café-Tipp:
Eine knappe halbe Stunde vom See Raslången entfernt liegt Mörrum. Hier gibt es das Anfang 2025 eröffnete Café Ljusagård, in dem man ganz wunderbar gemütlich den Tourabschlusskaffee trinken kann. Das Café wird von Linda und Sebastian geführt, die Stockholm gegen das Landleben getauscht haben. Sie haben das Café selbst renoviert und legen sowohl in der Einrichtung als auch im Angebot großen Wert auf Nachhaltigkeit. Die Lebensmittel samt Kaffee sind weitgehend bio; Gemüse und Obst kommen überwiegend vom eigenen Hof und von Landwirten aus der nahen Umgebung.

Café Ljusagård_Mörrum_Schweden

Alle Links und Informationen: Stand Juli 2025.

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