Barsø ist die kleinste bewohnte Insel in Süddänemark. Zehn Menschen leben hier. Zu ihrem Alltag gehören regelmäßige Fahrten aufs Festland. Etwa 20 Minuten benötigt die tagsüber verkehrende kleine Fähre für die Strecke. Mit meinem Kajak bin ich ähnlich schnell drüben. Mein Plan: Heute umrunde ich die Insel per Boot und zu Fuß.

Ich habe Barsø in guter Erinnerung. Das letzte Mal allerdings war ich vor über zehn Jahren hier. Damals lag der Fokus rein auf dem Paddeln. Heute nehme ich mir gerne die Zeit für Landgänge – und zum Fotografieren. Für einen Artikel mit baldigem Abgabetermin habe ich mir in den Kopf gesetzt, noch ein paar neue Motive zu shooten. Wie oft ich also an diesem Tag im Juni aus- und wieder einsteige, um Stativ und Kamera aufzubauen, den Bildausschnitt und die Schärfe zu checken und das Ganze zur Sicherheit noch mindestens drei weitere Male zu wiederholen, weiß ich nicht. Wie gut, dass ich den ganzen Tag Zeit habe! Wie gut, dass Wind und Wetter auf meiner Seite sind!

Wellenspiel und Pause am Strand
Die Sonne tut gut. Nach etwas mehr als zwei Kilometern erreiche ich die Nordseite von Barsø. Ich habe den direkten Kurs ab dem Fähranleger genommen. Nun dümple ich im Windschutz herum. Ich mag die sanfte Wellenform, mit der die Wiesen und Felder der Inselhügellandschaft vor dem sommerlichen Himmel abzeichnen. Kühe grasen; ein einzelner Kormoran trocknet sein Gefieder.
Ich hingegen werde bald nass sein: Der Wind weht aus östlicher Richtung. Mir scheint, in den auf die Insel zurollenden Wellen steckt Restdünung der Vortage. Diese waren recht pustig; die mitunter kraftvollen Wellen passen nicht so recht zur angesagten Windstärke von lediglich drei Beaufort. Mir passt das sehr gut; das Paddeln macht Spaß.

Vereinzelte Segelboote ziehen in weiter Entfernung vorbei. Ein Fischerboot verlässt den Küstenbereich der Insel. Und ich habe auf dem Wasser meine Ruhe. Jedenfalls so lange, bis ich an den bis zu 15 Meter hohen Klippen im Südosten von Barsø ankomme. Das Wellenbild lässt mich erahnen, dass ich bald die Südspitze erreiche, während rund um die Klippen ordentlich was los ist: Hier lebt eine der größten Kolonien an Uferschwalben in Dänemark. Die kleinste europäische Schwalbenart baut ihre Nester röhrenförmig in die Steilküste hinein. Ich paddle unter der Einflugschneise vorbei.
Der Sandstrand der Westküste ist schließlich perfekt für meine Mittagspause. Ich breite die Decke aus, koche Kaffee, genieße die Ruhe und meine natürliche Tischdeko: Um mich herum blüht ein Teppich an Strandwinden. Üppiger Meerkohl ragt in die Höhe, gesäumt von Heckenrosen.

Inselerkundung zu Fuß
Ich tausche meine Paddel- gegen Wanderkleidung, schnalle den Rucksack auf und lege einen kleinen Zettel mit Datum und der Info „bin bald zurück“ auf mein Boot. Aus Sicherheitsgründen, denn ein menschenloses Boot am Strand kann Fragen aufwerfen. Bald schon stehe ich vor dem ersten Wegposten. Die Insel ist gut bestückt mit kleinen Karten, die Spazier- und Wanderwege aufzeigen und Distanzen angegeben. Vorbildlich!
Nach wenigen Minuten rücke ich von meinem Plan der Inselumrundung entlang der Küstenlinie ab. Das Farbspiel der Gräser zieht mich ins Inselinnere. Ich gehe ein kleines Stück bergan, schaue hinunter auf den Kleinen Belt und hinüber zum Festland. Holunderblütenköpfe schwingen im Wind. Es summt und surrt um mich herum.

Kaffee, Kuchen und eine schöne Begegnung
Im Inselcafé „Bars‘ Kaffehus“ erwerbe ich ein Glas Inselhonig. Noch ist der kleine Laden des Cafés unweit vom Fähranleger auf Selbstbedienung eingestellt; wir sind noch nicht in der Hauptsaison angekommen. Ich rücke die zwei Kassen zurecht, weil ich die Internationalität der Insel mit einer Kasse für dänische Kronen und einer für Euro dokumentieren möchte. Da kommt Annelene herein. Annelene ist 84 Jahre alt, gebürtige Insulanerin und heute die Hüterin übers Kaffee. Wir kommen so nett ins Gespräch, dass ich mein Kassenfoto und die Zeit vergesse.
Annelene lädt mich zu sich in den Garten und auf ein Stück Kuchen ein. Wir klönen, lachen, schauen hinaus übers Meer. Es sind Momente wie dieser, die sich tief in meinem Herzen einbrennen.
Die Fähre legt an. „Jetzt kommt mein Mann“, sagt Annelene. Ich packe zusammen, verabschiede die beiden und ziehe weiter. Den Strand entlang bis zur Nordseite, über Sand und Steine und Treppenstufen, die mich von der Ostküste wieder nach oben führen. Eine komplette Inselumrundung zu Fuß wird das heute also wirklich nicht mehr. Zu neugierig bin ich auf weitere Wege im Inselinneren. Schließlich kenne ich die Küste ja bereits von der Wasserperspektive aus!

Gründe für ein nächstes Mal
Ich habe das Gefühl, dass ich keine weiteren zehn Jahre vergehen lassen möchte, bis ich wiederkomme. Das Netz an Wegen könnte mich den ganzen Tag beschäftigen. Die privat initiierte Ausstellung über die Geschichte der Insel, die ich zufällig entdecke, verdient mehr als nur einen kurzen Blick. Ich bleibe an der Übersicht der Jahre und Ereignisse rund um das Zufrieren des Meeres zwischen Insel und Festland hängen – und erinnere mich an Annelene, die mir erzählte, dass ihr Geburtswinter auch einer der härtesten war.
Schiebewellen von schräg hinten sind meine Begleiter, als ich wieder im Kajak sitze und zurück zu meinem Startpunkt paddle. Wieder einmal hatte ein Tag im Draußen wundervolle Überraschungen im Gepäck. Wieder einmal hat #kopffrei funktioniert, obwohl ich noch am Morgen zögerlich war, weil Schreibtisch, Kopf und Kalender ähnlich voll sind. Und wieder einmal zeigt sich: Genau dann, wenn’s am wenigsten reinpasst, hat ein solcher Tag den größten Wert.

Infos & Tipps
Barsø liegt im Kleinen Belt, etwas nördlich der süddänischen Stadt Aabenraa. Von Flensburg aus fährt man etwa 50 Minuten bis zum Fähranleger auf dem Festland. Hier kann man gut parken und für eine Tagestour am Sandstrand einsetzen.
Natürlich kann man den Besuch auf der Insel und ihre Umrundung auch prima in eine längere Tour entlang der süddänischen Küste einbauen. Bitte beachte allerdings, dass es auf Barsø nicht erlaubt ist, das Zelt aufzuschlagen!
Die Insel ist auf ihrer Nord- und Ostseite von Steinstränden und Steilküsten geprägt. Gut anlanden, pausieren und zu einer Inselerkundung zu Fuß starten kann man an den Sandstränden der Westseite, auf der sich auch der Hafen befindet.
Das Café „Bars‘ Kaffehus“ ist in den Sommermonaten von Ende Juni bis Anfang August täglich geöffnet. Hier gibt’s frisch gebackenen Kuchen, Kaffe, Kaltgetränke, Eis und etliche lokale Produkte.
In der Nebensaison ist „Bars‘ Kaffehus“ als Selbstbedienungscafé geöffnet. Man bezahlt in dänischen Kronen oder Euro und sitzt an schönen Tagen herrlich auf der Terrasse, gerade einmal 100 Meter vom Fähranleger entfernt.
Mein Tipp: Ein Glas Inselhonig für zuhause mitnehmen!
Wandern auf Barsø:
Barsø ist von hundert Prozent biologischer Landwirtschaft geprägt. Auf Deiner Wanderung gehst Du über Kuhweiden und saftige Wiesen und genießt – vor allem an Werktagen in der Nebensaison – eine fantastische Ruhe, wie es sie so nur auf Inseln gibt. Das Netz an Wegen ist auf kleinen Karten verzeichnet, die sich an allen strategisch relevanten Punkten befinden. So entscheidest Du alle paar hundert Meter neu, in welche Richtung Du weitergehst. Oder Du umrundest die Insel der Küstenlinie folgend. Das sind etwa 7 Kilometer.
Mein Tipp: Gehe auch ins Inselinnere, ins Café und ein Stück bergan, um die Aussicht über Wasser zu genießen!


Alle Links und Informationen: Stand Juni 2025.