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Fels, Wald und Moor: Zwei Tage auf dem Hovdalaleden

Die Rucksäcke sind gepackt, mit Kocher, Schlafsachen und Verpflegung. Das Zelt brauchen wir nicht auf dem südschwedischen “Hovdalaleden”, denn wir haben eine Nacht im Birken-Shelter “Birk” gebucht. Draußen in der Natur und doch mit festem Dach überm Kopf. Das hatte ich schon länger im Blick; Anfang Juni ist es soweit und wir starten zu einer Zwei-Tages-Wanderung bei Hässleholm.

Von unserem Parkplatz am nördlichen Ufer des Sees Finjasjö machen wir gleich einen kleinen Abstecher. Ich möchte mir den markant geschwungenen Holzsteg “Slingra dig” anschauen. Hier treffen wir ein paar Hobbyornithologen mit ihrer Ausrüstung, die nur unwesentlich kleiner ist als das, was wir mit uns herumschleppen. Ideal gepackt haben wir nicht. Wir wissen, dass wir das beide können, haben uns aber für etwas Luxus in Sachen Kulinarik entschieden und damit auch dafür, mit ordentlich Gepäck auf dem Rücken zu gehen.

Am Ostufer des Finjasjö wandern wir südwärts, durch kleine Wäldchen, mit Seeblick und an Siedlungen vorbei. Wir folgen der Beschilderung des “Finjasjöleden”, denn mir steht der Sinn nicht nach dem offiziellen Kurs des “Hovdalaleden”: Der führt am Bahnhof von Hässleholm vorbei, was ideal ist, wenn man mit dem Zug anreist. Ich aber will raus in die Natur. Kurz bevor wir im “Hovdala Naturområde” ankommen, ereilt uns der erste Regen. Wir lachen, kramen die Regenjacken raus und erinnern uns an gemeinsame Regenmomente auf dem Caminho Português.

Da wir spät los gekommen sind, wird es schon bald Zeit für die Mittagspause. In einer Regenlücke, unter Bäumen, mit Seeblick und Neugier auf das, was uns noch erwartet. Drei Männer mit Tourenrucksäcken gehen unterhalb unseres Picknickplatzes vorbei. Ich mutmaße, dass wir sie später am Shelterplatz wiedertreffen werden – und sollte recht behalten: Mehrere Tage sind sie unterwegs, zwei von ihnen aus der Region Hässleholm, einer aus Stockholm. Auch sie waren gespannt auf die Birkenshelter. Zurecht!

Bevor wir dort unsere erste Tagesetappe beenden, haben wir allerdings noch ein paar Meter Strecke und Höhe vor uns. Wir basteln uns auf dem “Hovdalaleden” und dem westlichen Teil vom hellblau markierten “Höjdarnas Höjdarled” einen Kurs durch das Hovdala-Naturgebiet. Maiglöckchen säumen hier und da den Weg durch den Wald. Uns erwarten üppige Baumpilze, weiche Pfade und Heidelbeerbüsche, die eine reiche Ernte erahnen lassen.

Besonders gut gefällt mir mal wieder ein Abschnitt, der über Holzbohlen durchs Moor führt. Die Haarpracht vom silbrig-weißen Wollgras trotzt der Wasserlast von oben. Die Grüntöne des Mooses leuchten und es gibt hier mittendrin sogar einen Pausenplatz mit Tisch und Bank. Wie herrlich!

Wir gehen weiter, durch Birkenwald und über rauschende Bäche bis zum “Hovdala Slott”. Riesige Mohnblumen dekorieren die steinernen Mauern des Schlosses. Handtellergroß sind die einzelnen Blüttenblätter. Wahnsinn! Wir erahnen einen kleinen Park hinter dem grauen Steinhaus. Da möchte ich natürlich hin. Erst recht, als ich erkenne, dass es nicht einfach nur ein Park ist, sondern rund um ein Gewächshaus Kräuter- und Gemüsepflanzen auf ihren Einsatz in Beeten warten. Was für ein schöner Ort! Da es für ein Stück Kuchen im Schlosscafé inzwischen eh zu spät ist, können wir uns gut noch ein bisschen aufhalten.

Irgendwann aber melden sich die völlig durchnässten Füße, die seit einem Abschnitt mit hüfthohem Gras, den wir vor der Ankunft am Schloss durchwandert haben, in den Schuhen schwimmen. Sie wollen weiter und ins Trockene. Über Wiesen und Anhöhen und an grau-schwarzen Ziegen vorbei nähern wir uns schließlich unserer Birkenhütte. Etwas versteckt liegt sie da – und die drei Herren aus unserer Mittagspause haben sich bereits an einem der Tische niedergelassen. Wir kramen unseren Code für “Birk” hervor, die links äußere der drei Hütten. Wir öffnen die hölzerne Flügeltür – und schon sind wir am Einrichten. Raus aus den nassen Schuhen und Socken. Liegematte und Schlafsack auf die Bänke drapiert. Ein erster wärmender Kaffee, dann gesellen sich Reis, Thunfisch, Paprika und ein paar frische Kräuter in den Trangia-Topf. Abendessen. Rotwein. Tür zu. Gemütlichkeit.

Um zehn Uhr muss die Hütte am nächsten Tag geräumt sein. Besenrein ist sie, nachdem wir uns noch im Hüttenbuch eingetragen und die massive Tür wieder verschlossen haben. Zeit, einen Frühstücksplatz zu finden! Die Sonne hat ihre Bestimmung wiederentdeckt und verspricht einen trockenen Wandertag. Wir beschließen, erst einmal ein Stück zu gehen, und unseren Morgenkaffee – so schön es hier auch ist – nicht auf dem Areal der Birkenhütten zu trinken.

Eine etwas unruhige Kuhherde vermasselt uns den nächst besten und wirklich sehr schönen Pausenplatz mit Aussicht. Wir fangen schon an, uns einzurichten, zögern, packen zusammen und ziehen dann doch länger weiter, als geplant. Nochmal Richtung Schloss, auf einem allerdings anderen Weg, und dann über die blau-gelb-weiß ausgeschilderte Route. Die führt uns wieder auf die Kombination aus “Hovdalaleden” und “Höjdarnas Höjdarled”, auf welcher wir heute den östlichen Teil erkunden. Der beschert uns an unserem zweiten Tag der kleinen Wanderauszeit viel Wald, viel Fels, nette Ausblicke und einen kleinen, etwas weniger attraktiven Schlenker durch den Ort Tormestorp.

Am Nachmittag bekommen wir endlich unser Picknick mit Aussicht – und Himmelsschauspiel: Oberhalb vom “Hovdala Slott” richten wir uns ein und beobachten, wie Regenschleier über den nördlichen Finjasjön hinwegwehen. Wir bleiben so gut wie verschont, reißen uns irgendwann aber doch los, so ruhig und schön es hier oben auch ist. Am Schloss vorbei gehen wir zurück an den See und am Westufer nordwärts. Mein Fazit: Die Runde um den See kann man machen, doch wirklich schön ist es im “Hovdala Naturområde”; das lohnt deutlich mehr. Hier ist man in der Natur und das Netz an markierten Wanderwegen ermöglicht eine Vielzahl an Streckenoptionen.

Richtig gut gefällt mir der allerletzet Abschnitt. Da geht’s durch regenwaldartiges Gebiet, auf den so typisch nordischen Holzbohlenwegen. “Spång” heißen die übrigens auf Schwedisch. Ich mag es, so leicht erhöht durch das feuchte Grün zu spazieren. Dazu diese irgendwie angenehm leicht modrige Luft, mal mehr, mal weniger Bäume links und rechts – und so langsam auch der Wunsch, den Start- und Zielort zu erreichen.

30 Kilometer sowie 452 Meter bergauf und 461 Meter bergab haben wir am Ende geschafft an diesem Tag; an beiden Tagen zusammen sind es 55 Kilometer. Mit schweren Rucksäcken (Ich sage nur: Wein und Verpflegung …) und nach ziemlich langer Zeit mal wieder. Es tut gut, zu merken, dass schöne Draußenmomente für mich nach wie vor eine so positive Wirkung haben. Es wird Zeit für wieder deutlich mehr davon! Wandernd, paddelnd, vielleicht auch öfter mal mit dem Fahrrad …

Infos & Tipps:

Das “Hovdala Naturområde” liegt nahe der Stadt Hässleholm in Südschweden. Der 57 Kilometer lange Wanderweg “Hovdalaleden” kann direkt am Bahnhof Hässleholm begonnen werden. Wir fuhren mit dem Auto bis zu einem kleinen Parkplatz bei der Vogelbeobachtungsplattform “Slingra dig” am Nordufer des Sees Finjasjön.
Von dort aus gingen wir am Ostufer des Sees, auf dem “Finjasjöleden” und dem “Hovdalaleden”, südwärts. Den Schlenker über Hässleholm haben wir ausgelassen und uns dafür im Naturgebiet eine eigene Runde gebaut. Das geht hervorragend, da die Wege gut ausgeschildert sind und es sowohl vor Ort als auch online eine Karte gibt, mit deren Hilfe man sich gut orientieren kann.

Übrigens führt der “Hovdalaleden” auch ein gutes Stück auf dem Fernwanderweg Skåneleden SL2 entlang.

Das Gebiet ist in meinen Augen absolut ideal für eine entspannte Zwei-Tages-Tour. Die Landschaft und Bodenbeschaffenheit ist abwechslunsgreich, keineswegs extrem und doch mit dem einen oder anderen kleinen Anstieg. Das finde ich super und an ein paar Stellen erinnert mich die Umgebung mit Wäldern, Felshängen und Ausblicken über Täler doch ein bisschen an meine Heimat auf der Schwäbischen Alb.

Lohnend ist das “Hovdala Naturområde” schon alleine wegen der tollen Möglichkeit, in Birkensheltern zu übernachten. Diese werden von der Gemeinde Hässleholm verwaltet. Drei Shelter, auf Schwedisch: “vindskydd” (Windschutz), gibt es. Zwei davon, “Birk” und “Birka”, sind für bis zu vier Personen ausgelegt und unseres Erachtens ideal für zwei. “Ronja” ist größer und bietet Platz für fünf bis sieben Leute. Man muss im Vorfeld reservieren, bekommt am Ankunftstag telefonisch einen Code für das Türschloss übermittelt und bezahlt 200 SEK bzw. für “Ronja” 300 SEK pro Nacht. Dafür ist alles prima gewartet und sauber, als wir ankommen. Ein tolles Prinzip, wie ich finde!

Fußläufig von den Hütten gibt’s ein Toilettenhäuschen. Direkt auf dem Platz findet man mehrere Sitzgelegenheiten, eine Feuerstelle und Mülleimer. Wasser kann man unweit vom “Hovdala Slott”, am Gelände von “Bokatorp” auffüllen. Da gibt’s, vom Schloss kommend, auf der rechten Seite am ersten Gebäude einen Wasserhahn, der groß mit “Dricksvatten” beschriftet ist. Das ist so nah am Shelter-Platz, dass man also nicht für ganze zwei Tage Wasser mitnehmen muss.

Extra-Tipp:
Plane eine Pause im “Fröknarnas Café” im “Hovdala Slott” ein! Das hat den Sommer über von Dienstag bis Sonntag zwischen 12 und 16 Uhr geöffnet (Stand: Juni 2022). Wir waren leider zu spät dran, haben das Café, in dem es sogar eine “Hovdalatårta” gibt, aber fürs nächste Mal fest auf unsere “Das müssen unbedingt wir machen”-Liste gesetzt. Es liegt im Innenhof des Schlosses und sieht – einen Blick konnten wir gerade noch erhaschen – echt nett aus.


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