Nichts müssen. Nichts vorhaben. Einfach nur dasitzen. Den warmen Becher mit dem heißen Tee in den kalten Händen. Den Blick unscharf ins Unendliche gerichtet. Es ist nur ein Tag und dieser Morgen gerade einmal der Beginn von diesem. Doch wiegt er schon jetzt mehr als manch echter Urlaub.

Sanft tröpfelt Regen auf mein Zeltdach. Eine Krähe krächzt; in den Bäumen über mir scheinen sich Vögel unterschiedlichster Tonlagen zur gemeinsamen Probe verabredet zu haben. Der Großparkplatz der nahe gelegenen Naturattraktion ist noch leer. Mein Zelt ist das einzige auf der für insgesamt acht ausgewiesenen Fläche. Ich weiß noch nicht, wie ich den Tag verbringe. Eine kleine Wanderung um die felsige Halbinsel? Zusammenpacken und in einem Shelter am Wasser frühstücken? Oder doch ins Café?
Ein Montagmorgen ohne Plan
Ein wenig umtreibt mich noch dieser übliche Drang von „man muss doch etwas tun“. Es dauert, bis nicht nur der Körper, sondern auch der Kopf zur Ruhe kommt. „Warum müssen wir denn einen Plan haben?“, fragt er mich. Ich lächle in mich hinein. Wie recht er hat. Es ist Montagmorgen, ein freier Montagmorgen. Kopf, Körper, ich: Wir müssen heute gar nichts.
Ich genieße den Luxus, nichts vorzuhaben. Während ich merke, wie sehr mir diese kleinen Momente im Draußen fehlen. Raus für eine Nacht, eine entspannte Mittagspause. Ich war darin schon besser und spüre: Trotz Selbstständigkeit und der von außen gerne vermuteten unendlichen Freiheit bin ich zu regelmäßig zwischen Erwartungen, Zwängen und oftmals vermeidbarem externen Druck gefangen. Kopf und Körper sehnen sich nach gemeinsamen ehrlich freien Momenten. Die tägliche Runde in den Hauswald bleibt im besten Fall eine Konstante, doch hat sie mehr den Charakter einer kleinen Achtsamkeitsübung als den Effekt von wahrem #kopffrei.
Anders ist es an diesem Montagmorgen. Weitere Sänger sind zur Probe des Vogelchores erschienen. Um mich herum wird es lauter; in mir wird es leiser. Es besteht kein Grund zur Eile. Die zweite Portion Wasser blubbert im Kesselchen der Draußenküche. Die Luft ist frisch. Ich muckle mich zurück in den Schlafsack. Das Regengetröpfel hat aufgehört. Der Horizont jenseits meines Zelteingangs wird heller.
Wenn die Gedanken einfach Fließen
Ich denke darüber nach, zu schreiben. Der Laptop liegt neben mir im Zelt. Ich hadere: „Endlich ein Moment für mich und nun soll ich auf der Tastatur rumklappern?“ Ja. Genau so. Gedanken strömen durch den Kopf. Solche, die über die tippenden Finger nach draußen dringen wollen. Ich gebe nach und tue spontan, wovon ich seit Jahren träumte: Entspannt im Zelt sitzen, irgendwo im Grünen, und Texte produzieren.
Ich tippe schnell. In wenigen Minuten bin ich an dieser Stelle des Textes angekommen. Das Internet ist ausgestellt. Über mir gurren zwei Tauben. Was ich heute machen werde, weiß ich noch immer nicht. Es ist egal, in diesem Moment. Ich bin neugierig auf den Tag und ich bin ruhig – weil ich annehme, dass einfach nur dasitzen genau jetzt das genau richtige ist. „Det ordnar sig“, denke ich. Was im Deutschen ein oft lapidar gebrauchtes „Ach, das wird schon“ ist, ist im Schwedischen ein tief-ehrliches Vertrauen darin, dass sich die Dinge so fügen, wie sie sich fügen sollen. Ich mag das damit verbundene Gefühl, werde in wenigen Sekunden den Laptop zuklappen, die Finger wieder um den Teebecher schließen und diese tiefen Augenblicke, die nur mir gehören, zulassen, genießen und so lange aushalten, bis es mich ganz natürlich umtreibt, zusammenzupacken und diesen Tag mit weiteren Spontanmomenten zu füllen.
